Architektonische Glanzlichter unter Tage: Auch ein U-Bahnhof kann nachhaltig Eindruck hinterlassen

Der Aufruf zur Blogparade #Raumgefühl: Architektur denken von Anetts Stadtsatz Blog hat mich dazu inspiriert, handschriftliche Notizen, Fotos und und Skizzen zu unterschiedlichsten Gebäuden endlich in eine „ordentliche“ Form zu bringen – vielen Dank dafür!

Ich starte mit dem U-Bahnhof Rathaus Süd in Essen:

U-Bahnhof Rathaus Süd

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Im Herzen des Ruhrgebiets wartet in Bochum mit dem U-Bahnhof Rathaus Süd ein beeindruckendes Bauwerk unter Tage auf Besucher bzw. Fahrgäste, das bereits über der Oberfläche Akzente zu setzen weiß: Neben den notwendigen Zugängen ragen entlang der Ausmaße des Bahnhofs 13 prismenförmige Tageslichtöffnungen mit gebrochenem Panzerglas empor. Sie sorgen dafür, dass Tageslicht in den 14 Meter tief gelegenen U-Bahnhof einfallen kann. Auf diese Weise wird der Raum unter Tage mit Licht durchflutet, die jeweilige Tageszeit kann auch ohne einen Blick auf die Uhr durch die Lichtverhältnisse buchstäblich wahrgenommen werden. Abends werden die Prismen beleuchtet, sodass sie den umliegenden Bongard Boulevard in eine stimmungsvolle Atmosphäre tauchen.

Wer die Rolltreppe hinab fährt und einen Blick in den Bahnhof wagt, erkennt schnell, dass hier kein normales Bauwerk entstanden ist: Dunkel, eng und uninspiriert sieht es deutschlandweit in vielen Bahnhöfen aus, doch in Bochum wird der Aufenthalt unter Tage zu einer spannenden Entdeckungsreise. Zunächst überrascht die luftige und sehr weitläufig wirkende Konstruktion, denn Stützen oder Pfeiler sucht man hier vergebens: Der gesamte Bahnhof wird mit einer imposanten Faltwerkdecke abgeschlossen, in die sich die beschriebenen Tageslichtöffnungen harmonisch einfügen. Die Rückwände der Bahnsteige sind mit gebrochenem Glas versehen, das in wechselnden Farben angeleuchtet wird. Die Faltdecke wird ebenfalls mit bunten Strahlern und abwechselnden Mustern eindrucksvoll in Szene gesetzt. Die beleuchteten Glaselemente sorgen in Kombination mit dem Stahl und Beton für eine einmalige Raumatmosphäre, die die industrielle Vergangenheit der Ruhrgebietsstadt in beeindruckender Weise widerzuspiegeln vermag. Ein weiterer Eyecatcher ist der Schrägaufzug mit einer Neigung von etwa 70 Grad, der sich von Glas umhüllt gemächlich bis an die Oberfläche bewegt. Ein besonderes und deutschlandweit einmaliges Schauspiel bietet die quer durch den U-Bahnhof verlaufende Brücke, auf der eine andere Linie verkehrt. Beim Warten können Fahrgäste so über ihrem Kopf eine andere Linie bestaunen, wobei die tonnenschweren Straßenbahnen dank der kompletten Verglasung der Brücke kaum zu hören sind. Es sind schon eher die leichten Erschütterungen, die einen nahenden Zug ankündigen.

Dieser U-Bahnhof verliert auch nach mehrmaligem oder gar täglichem Anblick nicht viel von seiner stilvollen und lichtdurchfluteten Wirkung. Besonders die mit Glas in Szene gesetzt Beleuchtung sorgt immer wieder für neue Eindrücke, wobei die komplett frei hängende Faltdeckenkonstruktion für ein unglaublich weitläufiges Gefühl sorgt, das durch die Tageslichtschächte zudem eine direkt sichtbare Verbindung zur ‚Außenwelt‘ erhält. Die konsequente Verwendung von Stahl, Glas und Beton ist nicht zuletzt auch eine gelungene architektonische Hommage an die schwerindustrielle Vergangenheit der lebhaften Ruhrgebietsstadt.